Das Grüne Blatt 3.2010: Bürger für öffentliches Grün begeistern – aber wie?
In allen Kommunen besteht das gleiche Problem bei der Pflege des öffentlichen Grüns: Immer weniger Personal und Finanzmittel stehen zur Verfügung. Gleichzeitig erwarten die Bürger gepflegte Anlagen und bedauern, dass die aufwändige Wechselbepflanzung nicht mehr in dem Maße wie früher geleistet wird. Umgekehrt häufen sich auch Fälle von Vandalismus, und auch das altbekannte Problem der „Hundetoilette“ an Baumscheiben und in Anlagen taucht regelmäßig auf. Die Lösung ist nahe liegend und nicht neu: Bürger gestalten und pflegen die Anlagen.
Eva Morgenstern, DLR Rheinpfalz
Birgit Heinz-Fischer, Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz
Vorhandene Ansätze (besser) nutzen
Vielfach wird dies versucht und mit mehr oder weniger Erfolg praktiziert. Gerade in kleineren Gemeinden finden sich Vereine, die bereit sind, einzelne Anlagen zu pflegen, in größeren Städten sind es oft die örtlichen Geschäfte, die im Umfeld ihrer Läden Patenschaften für Kübelbepflanzungen übernehmen. Doch die Aktivierung der Bürger ist oft schwierig: Vereine klagen über Mitgliederschwund und -überalterung, und die vom Vereinsvorsitzenden organisierten Jäteaktionen sind nicht jedermanns Sache. Allgemein kann man sagen, dass die Bereitschaft, sich für ein zeitlich begrenztes Projekt, wie z.B. die Umgestaltung des Kinderspielplatzes an 2 Wochenenden, zu engagieren, durchaus da ist, längerfristige Verpflichtungen werden aber gemieden. Gleichzeitig sind in Großstädten wie Hamburg, Berlin, München oder Frankfurt die „Guerilla Gardening“ in „Nacht- und Nebel-Aktionen“ bei der Begrünung des öffentlichen Raumes zu Gange, und Schulen und Kindergärten legen Beete und Schulgärten an. Es ist also Potential vorhanden, das aktiviert und in die richtigen Bahnen gelenkt werden muss.
Um Menschen für die Mitarbeit zu gewinnen, muss die Tätigkeit für sie attraktiv sein und ihnen einen Nutzen bringen. Dies könnte z.B. darin liegen, das eigene Wohn- oder Geschäftsumfeld zu verschönen, aber auch darin, sich hier völlig selbst bestimmt zu betätigen oder etwas in Gemeinschaft zu erleben (Event-Charakter). Entsprechend müssen die Bürger angesprochen werden. Mit einem „Werden Sie Baumscheiben-Pate, damit unsere Gemeinde schöner wird!“ dürfte man daher wenig Erfolg haben.
Spezielle Angebote für unterschiedliche Zielgruppen:
„Garten“ ist heute nicht nur in Kindergärten und Schulen sondern auch in Einrichtungen für Senioren ein Thema. Hier gilt es mit den Verantwortlichen Kontakt auf zu nehmen, geeignete Flächen anzubieten und gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten. Sollen die Kinder Beete oder Baumscheiben pflegen, müssen sie natürlich schul- bzw. kindergartennah liegen und nicht an durch Verkehr gefährdeten Stellen. Umgekehrt ist in Schulgärten immer das Problem des Gießdienstes während der Ferien. Hier könnte wiederum die Gemeinde aushelfen - entweder durch die Übernahme des Gießens oder durch Verlegung einer automatischen Bewässerung. Für Ältere oder körperlich Behinderte ist häufig das Bücken ein Problem. Hochbeete, hohe Kübel oder Tischgärten würden sich hier anbieten. Eine gute Erreichbarkeit mit Rollator oder Rollstuhl ist selbstverständlich nötig, ebenso wie Bänke zum ausruhen und eine behindertengerechte Toilette in erreichbarer Nähe. Für eine entsprechende Umgestaltung eines Teils einer vorhandenen Grünanlage lassen sich dann sicher wieder leichter Helfer aus dem familiären Umkreis der Nutzer mobilisieren, denn schließlich ist es für die eigenen Kinder/ Enkel bzw. für Oma oder Opa. Eine solche Maßnahme ist auch für Sponsoren interessant, da sie von Medieninteresse ist. Damit das Projekt jedoch später angenommen wird, ist es unbedingt erforderlich, es zusammen mit den potentiellen Nutzern zu planen, um deren Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Selbst machen (lassen)
Auch die Treffpunkte von Jugendlichen in Parks oder Grünanlagen sind stets neuralgische Punkte, die schnell verwahrlosen und an denen sich Vandalismus breit macht. Um dies abzustellen muss man unbedingt diese Jugendlichen mit ins Boot nehmen, damit sie die Verantwortung für den Platz übernehmen. Wie und in welchem Umfang dies möglich ist, hängt von den jeweiligen Strukturen und Gegebenheiten ab.
Niederschwellige Angebote schaffen
Viele Menschen würden bestimmt spontan den Rest eines Samentütchens oder einige überzählige Pflanzen zur Verschönerung der Baumscheibe vorm Haus zu stiften. Ist das aber erlaubt bzw. wird meine Pflanze wieder herausgerissen? Also lieber nichts tun! Anzurufen und sich durchzufragen, gar auf dem „Amt“ einen „Antrag“ auszufüllen und zu unterschreiben, das ist für viele ein Hinderungsgrund. Zwar wird von vielen Kommunen ein solches „wildes gärtnern“ geduldet. Hier sollte eine bürgerfreundliche „unbürokratische“ Lösung gefunden werden, die das „Gärtnern“ trotzdem in geordnete Bahnen lenkt. So könnte man z.B. versuchen, für bestimmte Straßen oder Viertel Nachbarschaftsaktionen unter dem Motto „unsere Straße wird grün“ zu initiieren, bei der die Gemeinde evtl. Kompost zur Verfügung stellt und ein ortsansässiger Gärtner als Ratgeber zur Verfügung steht. Dabei kann man dann z.B. die private Balkonkastenbepflanzung mit der nachbarschaftlichen Baumscheibenpflege kombinieren.
Auch wäre es denkbar, eine bestimmte Fläche für private Nutzung auf ein Jahr freizugeben, bei der der Bürger die von ihm genutzte Teilfläche lediglich markieren muss und sich dann in eine ausliegende Liste einträgt. Auf dem so „besetzten“ Beet dürfte er dann in diesem Jahr Gemüse oder Blumen seiner Wahl anpflanzen und ernten. Ziel wäre es, dass sich so Gleichgesinnte finden und langfristig Gemeinschafts- oder Nachbarschaftsgärten entstehen, bei denen auch der soziale Gesichtspunkt eine wesentliche Rolle spielt. So haben sich z.B. die interkulturellen Gärten zum Ziel gesetzt, dass sich hier MigrantInnen und Deutsche aus unterschiedenen sozialen Milieus und Lebensformen begegnen und sich ein Miteinander entwickelt. Informationen zu interkulturellen Gärten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg findet man auf der Website der Stiftung Interkultur: www.stiftung-interkultur.de/
Wertschätzung schafft Begeisterung
Solange öffentliche Grünflächen nur als „Problem“ und nicht als wertvolles Gut mit hohem Potential für Bürger und Kommune gesehen werden, darf man sich nicht wundern, dass auch die Bürger wenig Lust haben, der Gemeinde diese „Last“ abzunehmen. Um Menschen zu begeistern, muss man selbst begeistert sein - dann springt der Funke über! Natürlich muss man auch Hilfestellung geben, denn oft ist der gute Wille da, aber die Kenntnisse sind teilweise sehr gering. Es sind ganzheitliche Konzepte gefragt, die das öffentliche Grün nicht nur aus gärtnerischer sondern vielmehr auch aus sozialer Sicht und unter dem Blickwinkel des Stadtmarketings sehen.
Eine Möglichkeit, dies stärker ins öffentliche Interesse zu rücken, ist die Teilnahme an Wettbewerben wie z. B. der Entente florale Deutschland (www.entente-florale-deutschland.de/), bei der dieses Jahr Andernach bei seiner ersten Teilnahme eine Goldmedaille bekommen hat - eine schöne Bestätigung für die engagierten Bürger! Originell war dabei auch das Andernacher Begrünungskonzept „essbare Stadt“. Am Schlossgarten wurden über 100 verschiedenen Tomatensorten gepflanzt, die für das Tomatenfest im August geerntet werden konnten!