Das Grüne Blatt 1.2011: Urbane Landwirtschaft, die essbare Stadt in Andernach
Die Stadt Andernach möchte sich langfristig als grüne und nachhaltige Stadt lebendig und vielgestaltig entwickeln. Bei der Kampagne „Natürlich Andernach“ stehen hierbei vor allem Aspekte der Nachhaltigkeit, der Biodiversität und der urbanen Landwirtschaft im Mittelpunkt. 2010 konnte die Stadt mit dem Konzept bereits bei dem Wettbewerb „entente florale“ mit einer Goldmedaille überzeugen.
Lutz Kosack, Heike Boomgaarden, Stadt Andernach
Werner Ollig, Gartenakademie Rheinland-Pfalz
Birgit Heinz-Fischer, Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz
Neben der attraktiven Gestaltung der Grünflächen der Stadt sollen diese gleichzeitig im Sinne einer Multifunktionalität ökologische, ökonomische und auch ästhetische Funktionen gleichermaßen unterstützen. Ein Schwerpunkt der zukünftigen öffentlichen Grüngestaltung der Stadt Andernach liegt in der Nachhaltigkeit und der urbanen Landwirtschaft.
Dabei gilt es, auch in der Stadt als „Lebens“-mittelpunkt wieder „Lebens“-mittel erlebbar zu machen. Zudem ist es Ziel, städtische Flächen multifunktional zu gestalten, so dass auch ein Nutzaspekt anvisiert wird. Auch soll die städtische Bevölkerung hierdurch mehr für das öffentliche Grün sensibilisiert werden und wie im hier beantragten Bürgergarten auch in die Nutzung und Pflege eingebunden werden. So wird angestrebt, das Konzept „Schutz durch Nutzung“ auch in der Stadt umzusetzen.
Mittelpunkt dieser Ideen war 2010 der Schlossgraben. Um im Jahr der Biodiversität 2010 nicht nur auf die Bedeutung von Wildarten, sondern auch auf die Gefahr der Generosion bei Nutzpflanzen hinzuweisen, wurde unmittelbar an eine alte Mauer im Graben ein Tomatensortenprojekt angelegt. Mit über 400 Sorten stellt die Tomate ein interessantes Anschauungsobjekt für die biologische Vielfalt im Bereich der pflanzengenetischen Ressourcen von Nutzpflanzen dar.
Biologische Vielfalt (Biodiversität): Die Vielfalt der Arten und Lebensräume sowie die genetische Vielfalt innerhalb der einzelnen Pflanzen- und Tierarten.
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Erklärtes Ziel der Umgestaltungen ist es, zukünftig die städtischen Grünflächen der Stadt wieder erlebbarer zu machen. Hierbei soll das städtische Grün nicht nur für die Augen, sondern auch durch Duft und Geschmack erlebbar gestaltet werden. Und Erleben heißt hiermit dann auch: „Pflücken erlaubt“, statt „Betreten verboten“.
Am Grund des Schlossgrabens wurden Schaubeete mit Gemüsesorten angelegt. Hier war es Ziel, auf kleineren Flächen temporär die Artenvielfalt zu demonstrieren.
Deshalb wurde auch die angrenzende Fläche des Schlossgrabens in einen kleinen Weinberg mit Rebsorten, die zum Traubengenuss dienen, umgewandelt.
Auch hier wird der bewusste Umgang des Bürgers mit dem städtischen Grün als wesentlicher Punkt angesehen.
Im historischen Kernstadtbereich bietet sich auf den ersten Blick nur wenig Raum für Begrünungen. Mit dem Ziel, vermehrt Nutzpflanzen in das Stadtgrün mit einzubinden, werden hier nun Weintrauben an Hauswänden gesetzt, welche nur geringe Größen hinsichtlich der Pflanzbeete erfordern. Das Projekt steht noch in der Anfangsphase, wobei mit einem Straßenzug begonnen wurde.
Insbesondere die direkte Einbindung der Bevölkerung erweist sich hierbei als wesentlich. Das Projekt wird zeitnah fortgesetzt, mit dem Ziel einer „essbaren Stadt“.
Wenige Kilometer vor der Stadt in Andernach-Eich wurde bereits 2008 eine ökologische Anlage in Zusammenarbeit mit der Perspektive GmbH, der örtlichen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft für Langzeitarbeitslose, geschaffen. Bisher intensiv genutzte landwirtschaftliche Nutzflächen im Außenbereich wurden zu einem zunächst 9 ha großen naturnahen Gelände umgestaltet, welches gleichzeitig Naturschutz-Ausgleichsflächen, Flächen zur Nahrungsmittelproduktion als auch die Möglichkeit zur Umweltbildung und Naherholung integriert. Das als „Lebenswelten“ initiierte Konzept sieht eine Reihe von Aktivitäten vor, deren besondere Bedeutung durch das Zusammenwirken der Einzelteile entsteht, wobei der Anbau von Obst und Gemüse in Anlehnung an das Konzept des ökologischen und nachhaltigen Landbaus im Vordergrund steht. Verschiedene „Disziplinen“ werden integriert und Synergieeffekte geschaffen: Land- und Forstwirtschaft, Ökologie, Naturschutz, Wassernutzung.
Die Produkte dieser Anlage werden in der Fußgängerzone Andernach in einem neuem Geschäft der Bevölkerung zum Kauf angeboten. Diese Anlage ist ein Beitrag zur multifunktionalen Flächennutzung und dient dem Erhalt der Agrobiodiversität. Ziel ist es, Teilelemente dieses Flächenkonzepts zukünftig auch in die innerstädtischen Flächen zu übernehmen.
Geht das auch bei uns?
Viele Gemeinden stehen vor der Frage, wie sich Biodiversität und Nachhaltigkeit bei leeren Haushaltskassen umsetzen lässt. Was können Kommunen auch nach dem Jahr der Biodiversität 2010 für die Vielfalt von Fauna und Flora tun? Was sind die wichtigsten Punkte für ein Gelingen?
- Besonders in der städtischen Grünplanung ist Nachhaltigkeit gefragt, wie z.B. resistente und standortgerechte Pflanzen und ein langfristiger Bodenschutz.
- Nachhaltige Konzepte der Grünplanung stellen Investitionen für die Zukunft dar. Pflege und Unterhaltungskosten können langfristig deutlich gesenkt werden.
- Hierbei ist insbesondere auf die Multifunktionalität von Flächen zu achten. Wo können Flächen so gestaltet werden, dass es statt „Betreten verboten“ heißt: „Pflücken erlaubt“?
- Bürger aller Altersgruppen und sozialer Schichten sollten von Anfang an für die Idee begeistert werden und Möglichkeit haben, sich kreativ bei der Planung mit einzubringen. Grünplanung ist erfolgreich wenn öffentliche Flächen von den Bürgern als „ihre“ Flächen verstanden werden, auf denen sie sich wohlfühlen. Biodiversität sollte für die Bürger hier eine erfahrbare Ressource darstellen.
- Bestehende Initiativen privater Art oder auf Vereinsebene, Institutionen wie Schulen, Senioreneinrichtungen usw. sollten mit eingebunden werden. Dies bedeutet eine Wertschätzung ihrer Arbeit und Synergie-Effekte können genutzt werden.
- ... oder zusammengefasst mit den Worten Goethes: „Was immer du tun kannst oder träumst es tun zu können, fang damit an! Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich!“
Weitere Informationen
- Hütten, A.: „Neue Wege gehen - hin zur essbaren Stadt“, Gemeinde und Stadt 2/2011 (noch nicht in kosDirekt veröffentlicht)
- http://www.heike-boomgaarden.de/projekte/projekt-andernach--unsere-stadt-blueht-auf/index.php
- http://www.heike-boomgaarden.de/mediathek/fotogalerien/eine-stadt-blueht-auf/index.php
- www.gartenakademie.rlp.de
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