Das Grüne Blatt 3.2011: Natur sucht Garten – für mehr Pflanzenvielfalt in Deutschlands Gärten
Werner Ollig, Gartenakademie Rheinland-Pfalz
Birgit Heinz-Fischer, Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz
Grünflächen sind „in“
Gärten erfüllen heute eine hohe gesellschaftliche, soziale, ökologische und stadtklimatische Funktion. Im Zuge der tief greifenden wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Entwicklungen erleben Gärten derzeit eine Renaissance, denn Garten ist „in“. Hier kann man sich zurückziehen oder gesellig sein, sich erholen oder aktiv sein, klimabewusst seinen Urlaub mit der Familie verbringen und dazu noch gesundes Obst und Gemüse selber anbauen! Kurzum: Gärten ermöglichen uns sinnstiftende Aktivitäten und Lebensfreude pur inmitten der Natur. Geschätzt als Oase der Ruhe und Erholung werden sie mehr und mehr zum Therapeutikum für Körper, Geist und Seele. Rund 22 Millionen Menschen in Deutschland nutzen das mit zunehmendem Gewinn. Der Garten ist nicht nur Erholungsraum und Nahrungsspender, er bildet auch wertvolle Refugien für viele Tier- und Pflanzenarten. Darüber hinaus bietet er uns die Möglichkeit, aktiv Umwelt- und Klimaschutz zu betreiben.
Realität
In der Realität ist oft jedoch eine Abkehr von der gewachsenen, traditionellen Gartenkultur erkennbar. Gartenböden werden häufig mit Nährstoffen überversorgt, Pflanzenschutzmittel werden in Unkenntnis oder nicht sachgerecht angewendet, Pflanzen, die ihrem Standort nicht gerecht werden führen zu Gartenfrust statt Gartenlust. Die Pflanzenvielfalt ist stark eingeschränkt, die Gärten wirken kalt, Artenreichtum und Ökologie gehen verloren, genau so wie altes Gartenwissen. Auch im Bereich des öffentlichen Grüns sind im Laufe der Jahre aufgrund von Budgetkürzungen und Arbeitsüberlastung viele bunte, artenreiche Staudenbeete zu Gunsten von „Einheitsgrün“ verschwunden.
Forderungen an öffentliches Grün
Auch die Kommunen werden mit diesem Zwiespalt zwischen Wunsch und Wirklichkeit konfrontiert: So liebt der Bürger Natur in Form von gepflegten Grünanlagen und öffentlichen Spielplätzen - bitte ohne Giftspritze, denn man will ja weder sich noch die Kinder oder den Hund vergiften- doch wehe die Natur zeigt sich in Form von Wildkraut auf dem Gehweg oder als Wespe auf der Liegewiese! Sofort werden potentielle Gefahren gesehen, die sofort beseitigt werden müssen. Harmloser Mehltaubefall an Straßenbäumen ruft Beschützerinstinkte wach - da muss dem Baum doch unbedingt geholfen werden! Oder von den Bäumen auf die Autos tropfender Honigtau - das geht gar nicht! Vieles, was natürlich ist, wird aus Unkenntnis als bedrohlich empfunden und entsprechend überzogene Forderungen gestellt. Das geht dann soweit, dass an Kinderspielplätzen nicht nur keine giftigen Pflanzen gepflanzt werden, was durchaus nachvollziehbar ist, sondern auch auf Obstbäume verzichtet wird, weil sie Bienen bzw. Wespen anlocken könnten (könnten evtl. die Kinder stechen!) und Rosen abgelehnt werden, weil Verletzungsgefahr droht! Hier besteht massiver Aufklärungsbedarf und unserer Erfahrung nach wird es von den meisten Menschen dankbar angenommen, wenn man sie informiert und umweltverträgliche Lösungen für ihr „Problem“ - auch im Bereich öffentlicher Flächen - aufzeigt. „Natur pur“ und gleichzeitig alles klinisch steril - das geht eben nicht! Im Hinblick auf die Zulassungssituation bei Pflanzenschutzmitteln sind hier ohnehin enge Grenzen gesetzt - ein Umdenken und mehr Toleranz für „mehr Natur“ ist also bei allen notwendig.
Natur sucht Garten - und findet ihn
Es geht auch anders, denn immer mehr Menschen wünschen sich heute Gärten und Grünflächen als Lebensraum mit mehr Pflanzenvielfalt und einer ökologischen und vielfältigen Gartenkultur. Dabei stehen umwelt- und anwenderschonende Strategien zum Schutz und Stärkung der Pflanzen eine bedeutende Rolle. Alle Maßnahmen sollen im Einklang mit der Natur und nicht gegen sie sein, deshalb stehen ökologische und nachhaltige Verfahren ganz weit vorne. Die Bausteine für ein Mehr an Natur im Garten sind vielfältig und können in jeden Garten eingebaut werden:
- Hecken sollen blühen, wild sein, Früchte tragen oder undurchdringlich sein, aber nicht eintönig ·Vielfältig blühende Pflanzen das ganze Jahr über erfreuen unsere Sinne und bieten Nützlinge Nahrung und Heimat
- Rasen geht auch anders, als Blumenwiese mit Kräutern oder extensiviert durch nur teilweises Mähen
- Gesunder Garten - gesunder Mensch: Gesundheit wächst im Garten: Obst & Gemüse selber kultivieren
- Lebensraum schaffen: Nützlinge fördern und anlocken durch blühende Pflanzen das ganze Jahr über
- Der Schlüssel zum Erfolg: standortgerechte, robuste oder resistente Sorten senken den Pflanzenschutzaufwand deutlich
- Selber kompostieren bringt Leben in den Boden und speichert klimaschädliches CO2, das arbeiten mit den Händen im warmen Gartenboden erdet uns
- Nachhaltige Auswahl von Geräten und Materialien wie Holz und Steine aus der Region
Alle diese Bausteine lassen sich problemlos auch im öffentlichen Grün einsetzen! Dies bedeutet nicht unbedingt „mehr Arbeit“ sondern anders Arbeiten. Natürlich setzt dies gerade bei der Planung und Umsetzung Fachwissen und Engagement voraus, das vor Ort sicherlich reichlich vorhanden ist. Mit der Unterstützung der politisch Verantwortlichen und einer guten Öffentlichkeitsarbeit ist es dann auch möglich, eine breite Akzeptanz bei den Bürgern zu erlangen.
Die bundesweite Kampagne: Natur sucht Garten - für mehr Pflanzenvielfalt in Deutschlands Gärten
In den Garten ist Bewegung gekommen. Gartenbesitzer machen sich auf den spannenden Weg, mehr Natur in den Garten zu holen. Für viele ist das der nachhaltige Ansatz zu einer sinnstiftenden Tätigkeit in der sich immer schneller drehenden Welt.
Verschiedene Organisationen, Verbände und Beratungsinstitutionen arbeiten vernetzt zusammen und beraten und informieren Gartenfreunde auf dem Weg zu mehr Natur im Garten. Unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. (DGG) läuft die bundesweite Kampagne „Natur sucht Garten - für mehr Pflanzenvielfalt in Deutschlands Gärten“. Auch die Städte und Gemeinden können hier eine Vorreiterrolle übernehmen! In Zusammenarbeit mit örtlichen Kleingartenvereinen, Schulen, Kindergärten und vor allem engagierten Bürgern kann viel bewegt werden!
Mehr zur Kampagne „Natur sucht Garten - für mehr Pflanzenvielfalt in Deutschlands Gärten“ finden Sie unter: www.dgg1822.de