Das Grüne Blatt 3.2012: Verarbeitung von Streuobst
Werner Ollig, Gartenakademie Rheinland-Pfalz
Birgit Heinz-Fischer, Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz
Historie
Streuobstwiesen dienten ab dem 18. Jahrhundert ursprünglich der Selbstversorgung mit Obst in den bäuerlichen Familienbetrieben. Gepflanzt wurde in Wiesen, die in einem Gürtel um die Dörfer lagen mit Baumabständen von 10-15 m. So entstanden die landschaftsprägenden Streuobstwiesen mit doppelter Nutzungsmöglichkeit als Wiese/Weide und zur Obstproduktion.
Bis in die 50-er Jahre trugen diese Bäume zur Obstversorgung entscheidend bei, danach nahm ihre Bedeutung rapide ab. Parallel zu den wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen im Lande mussten die großkronigen Obstbäume den Anforderungen der modernen Landwirtschaft und dem veränderten Verbraucherverhalten weichen.
Ökologische Bedeutung
Aufgrund des Strukturwandels gehören Streuobstwiesen heute zu den gefährdeten Biotopen und erfahren aufgrund ihrer landschaftsprägenden und ökologischen Bedeutung besonderen Schutz und Förderung. Nach Angaben der Universität Hohenheim bieten sie in Deutschland Lebensraum für über 5.000 Tier- und Pflanzenarten sowie für über 3.000 Obstsorten und stellen somit ein unschätzbares Reservoir an genetischer Vielfalt dar.
Streuobstwiesen mit hochstämmigen Obstbäumen erfreuen sich weiterhin einer großen Beliebtheit bei Städten und Gemeinden, z. B. als Ausgleichsfläche oder für das Ökokonto. Das Motto lautet „Landschaftspflege bzw. Naturschutz durch Nutzung“. Denn man hat erkannt, dass viele Tier- und Pflanzenarten nur dann überleben können, wenn die Kulturlandschaft den Anforderungen entsprechend gepflegt wird. Und dazu gehört auch die Ernte und die Verwertung der Früchte in der Brennerei, als Saft oder Apfelchips.
Die Vielfalt genießen!
Alles pflanzen, hegen und pflegen macht nur dann Sinn, wenn die Früchte auch geerntet werden. Wenn sich im Herbst die Äste unter der Last leuchtend roter Früchte biegen, fragen sich immer mehr Menschen: „Warum werden die eigentlich nicht geerntet“!
Die Apfelernte wie früher
Das Auflesen von Most- oder Verwertungsobst ist eine mühselige Arbeit, die ganz schön anstrengend ist. Früher wurde das mit der ganzen Familie und vielen Helfern geleistet, nicht ohne ein zünftiges Mittagessen und viel Spaß bei der Arbeit. Wie wäre es, wenn man daraus heute wieder einen „Event“ machen würde, eine sinnhafte Aktion in freier Natur, mit viel Bewegung , Spaß und Geselligkeit und einem echten „Mehrwert“, nämlich den Äpfeln und ihren Verwertungsprodukten.
Die schweißtreibende Arbeit des Auflesens kann man sich leichter machen mit einem Auflesegerät wie dem Obstigel! Mit diesem einfachen, handgeschobenen Gerät kann man nach Angaben des Herstellers ca. 1000 - 2000 kg Streuobst auflesen. Die Früchte werden dabei mit Drahtstiften aufgespießt und fallen in 2 angebrachte Kisten. Der Obstigel ist eine interessante Alternative für Streuobstinitiativen und Obst- und Gartenbauvereine (www.obstigel.de).
Der gesunde Knabberspaß - Apfelchips
Apfelchips werden aus gut ausgereiften und aromatischen Äpfeln hergestellt. Vor dem Trocknen werden die Früchte gewaschen, entkernt und in dünne Scheiben geschnitten. Diese werden dann in speziellen Trocknungsöfen schonend auf eine Restfeuchte von etwa 6 % getrocknet. Die wertgebenden Inhaltsstoffe bleiben weitestgehend erhalten, frei von jeglichen Zusatzstoffen, oder Konservierungsmitteln, und der gesunde Knabberspaß kann beginnen. Eine 90g-Tüte enthält die wertgebenden Inhaltsstoffe von 1 kg Äpfel – Genuss ohne Reue, und bis zu 1 Jahr haltbar!
Apfelchips von eigenen Äpfeln stellt im Lohn her: Obsthof Feil, Meckenheim, www.bleichhof.de.
Traditionell wird naturreiner Apfelsaft in Mehrweg Glasflaschen abgefüllt. Eine weitere innovative Variante ist die Saftkiste („bag in box“-Verfahren). Und die haben viele Vorteile: die Haltbarkeit beträgt 18 Monate, selbst geöffnet bleibt er mind. 3 Monate genussfähig, da keine Luft eintreten kann. Ab einer Erntemenge von 150 kg erhält man den Saft der eigenen Äpfel in 5 + 10l Saftkisten.
In Rheinland-Pfalz bieten einzelne Mostereien (www.bleichhof.de u. a.) diesen Service an, ebenso eine mobile Lohnversaftung vor Ort (z. B.: http://www.filsinger-info.de u. a.).
Richtig ernten + verwerten!
Bei vielen alten Sorten handelt es sich um Lageräpfel, bei denen Pflück- und Genussreife zum Teil deutlich auseinander liegen. Lagern kann man allerdings nur unbeschädigte und gesunde Früchte. Vorausgesetzt, man verfügt über geeignete Lagerräume (Keller mit Lehmboden, frostfreier Raum, 6-8 ° C, möglichst hohe Luftfeuchte > 70 %).
Fallobst und beschädigte Früchte lassen sich dagegen sehr gut zu Apfelmus verarbeiten. Aufgrund der höheren Säuregehalte der Streuobstsorten ist das Aroma deutlich besser als bei gekaufter Ware.
Diese Köstlichkeit kann man in Einmachgläsern sterilisieren oder wie Marmelade in Gläschen mit Drehverschluss abfüllen – die ideale Portionsgröße für eine Zwischenmahlzeit!
Eine üppige Ernte lässt sich auch leicht zu Apfelwein (Viez, Cidre) veredeln. Und zu Guter letzt kann man Äpfel auch in destillierter Form als Apfelschnaps genießen. Und der hält lange und wird mit jedem Jahr besser!
Weitere Informationen zur Saftbereitung: www.gartenakademie.rlp.de, > Keltereien.