Das Grüne Blatt 2/2016: Begrünte Baumscheiben in Bürgerhand
Eva Morgenstern, Werner Ollig, Gartenakademie Rheinland-Pfalz, Neustadt
Birgit Heinz-Fischer, Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz, Mainz
Bäume im Stadtraum
Bäume sind für Stadtklima und Wohnqualität von eminenter Bedeutung. Sie filtern Staub aus der Luft, verbessern das Mikroklima und reduzieren den Lärm. Darüber hinaus sind sie als Gestaltungselemente von Straßen und Plätzen unverzichtbar. Das städtische Kleinklima ist mit seinen extremen Schwankungen ungünstig für die Entwicklung von Bäumen. Mit der Wahl widerstandsfähiger Baumarten und geeigneten Bewirtschaftungsmaßnahmen soll ein Ausgleich geschaffen werden (vergl. DIN 18920, 18915-16).
Nutzungsbedingte Probleme
Bauliche Gegebenheiten schränken die Möglichkeiten der Gestaltung der Baumscheibe oft stark ein. Selbst bei optimaler Pflanzlochgestaltung und einer mindestens 6m² großen offenen Baumscheibe leiden Stadtbäume oft unter Stress (Wassermangel, Hitze, Streusalz), verbunden mit reduziertem Zuwachs, vorzeitigem Blattfall und erhöhtem Schädlingsbefall. Stress verstärkend wirken auch so manche menschliche Handlungsweisen. So führt z.B. das Befahren bzw. Parken auf der Baumscheibe zu Verdichtungen, die den Gasaustausch behindern und das Einsickern von Regenwasser erschweren. Hinzu kommt die Gefahr von mehr oder weniger großen Rindenverletzungen, meist in Stoßstangenhöhe bzw. Beschädigungen oberflächennaher Wurzelbereiche. Die Unsitte, hier Müllsäcke oder Fahrräder zu deponieren, schädigt eine eventuell (noch) vorhandene Unterpflanzung und hat vor allem einen psychologische Aspekt: Baumscheibe = Müllhalde.
Noch gravierender ist das Problem „Hundetoilette“. Für viele Hundehalter scheint es in Ordnung zu sein, wenn der Hund sein Geschäft auf der Baumscheibe hinterlässt. Doch große Mengen an Hundeurin können die Rinde von Jungbäumen verätzen und führen zur Versalzung und unerwünschter (Über-) Düngung des Bodens. Ebenfalls schädigend wirkt der Eintrag von Streusalz. Dieser erfolgt nicht nur nach Anwendung gegen Glatteis im Winter, sondern zunehmend auch im Sommer durch die Verwendung als „Hausmittel“ gegen unerwünschten Pflanzenwuchs. Im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes ist dies ein Einsatz eines nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels und damit verboten. Und wie lange hält der Baum wohl durch?
Problem an der Wurzel packen
In der Regel dürfte es weniger Böswilligkeit als vielmehr Gedankenlosigkeit sein, die diese Handlungsweisen bedingen. Aber es lässt darauf schließen: Die Bürger nehmen die Baumscheibe nicht als Teil der öffentlichen Grünfläche wahr und sind sich der Folgen nicht bewusst. Daher ist eine Veränderung der Wahrnehmung erforderlich. Eine gute Möglichkeit wäre in dieser Hinsicht die gärtnerische Gestaltung der Baumscheibe. Die Erfahrung zeigt, dass bepflanzte Baumscheiben nicht nur ansprechender aussehen, sondern gleichzeitig den vorher erwähnten Missständen entgegen wirken. Dabei gilt es die Pflanzung aus gärtnerischer (standortangepasste Pflanzen) und arbeitswirtschaftlich-finanzieller (pflegeextensiv) Sicht sowie unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit (Verkehrssicherheit, ungehinderte Baumkontrolle) zu planen. Im Hinblick auf die dünne Personal- und Finanzdecke der Kommunen ist die Anlage und Pflege solcher Flächen nur eingeschränkt machbar.
Es gilt nach Möglichkeiten zu suchen den Bürger einzubinden, um die Baumscheibe vor seinem Haus als Vorgarten zu betrachten und in gut nachbarschaftlicher Beziehung mit zu betreuen. Wenn das gelingt, entsteht auch automatisch eine stärkere soziale Kontrolle, die Vandalismus entgegen wirkt.
Geordnete Vielfalt statt Wildwuchs
Gerade im Zuge des in Großstädten in Mode gekommenen „Guerilla Gardening“ hat das Begrünen in „Selbsthilfe“ um sich gegriffen. Das ist grundsätzlich positiv. Die Stadt soll bunter werden. Dabei werden aber leider wesentliche Aspekte aus Unkenntnis häufig übersehen. Da wachsen schon einmal 1,80 m hohe Sonnenblumen am Wegesrand und versperren abbiegenden Autos die Sicht oder die Kapuzinerkresse kriecht aus dem Beet auf den Gehsteig und wird zur Gefahrenquelle. Oder gegen ungebetenen Hundebesuch werden individuelle Gartenzäunchen gezimmert, um jede Baumscheibe in anderer Manier…
Damit solche wohlgemeinten Aktionen nicht im allseitigen Frust enden, braucht es Rahmenbedingungen, sowohl gärtnerische wie rechtliche. Dabei sind drei Vorgehensweisen denkbar:
- Baumscheiben dürfen nur bepflanzt/ gepflegt werden, wenn dies zuvor beantragt und genehmigt („Baumpatenschaft“) wurde.
- Es wird freigestellt, kommunale Flächen ohne Absprache in Pflege zu nehmen, solange die von der Gemeinde veröffentlichten (z.B. per Flyer) Richtlinien eingehalten werden.
- Ein Verein (z.B. Naturschutz-, Verschönerungsverein) übernimmt die „Vergabe“ freier „Patenbeete“ und „wacht“ über die Einhaltung der vorgegebenen Richtlinien.
Im Idealfall findet man ein Verfahren, dass mit geringem Aufwand durchführbar ist.
Das sollte allen klar sein:
Wichtig ist, dass die Zuständigkeiten klar geregelt und die Bürger durch fachliche Informationen z.B. über geeignete/erlaubte Pflanzen unterstützt werden. So übernimmt der Baumpate/Baumscheibenpfleger auf Zeit eigenständig und ehrenamtlich die Pflege einer ausgewählten Baumscheibe. Dies beinhaltet das Wässern von Baum und Beet und das Entfernen von unerwünschten Beikräutern sowie Wurzelausschlägen. Soweit die Baumscheibe noch nicht begrünt ist, kann er die Bepflanzung nach eigenen Wünschen im Rahmen des Erlaubten durchführen. Dabei ist auf die Verkehrssicherheit zu achten. Für die Baumkontrolle ist es evtl. nötig, die Baumscheibe zu betreten, dabei können Schäden an der Bepflanzung entstehen.
Erlaubt sein sollte:
- Flache Bodenbearbeitung und Bodenverbesserung/-austausch bis max. 10 cm Tiefe (Gefahr von Wurzelverletzungen)
- Bepflanzung bzw. Aussaat von niedrig wachsenden Pflanzen, z.B. ein-/zweijährige oder Stauden (bis max. 50 cm Höhe). Einschränkung sollte es z.B. in Kindergartennähe im Hinblick auf giftige Pflanzenarten (Negativliste!) geben.
Nicht erlaubt sein sollte:
- Tiefe Bodenbearbeitung (keine Beschädigung der Baumwurzeln)
- Bodenaufschüttung (der Wurzelanlauf darf wegen Baumkontrolle nicht überdeckt sein)
- Bepflanzungen, die die Sicht für Verkehrsteilnehmer einschränken
- Kletterpflanzen (Baumkontrolle) und Gehölze (Verkehrssicherheit, Wasserkonkurrenz)
- Veränderungen/Erstellung von Einfassungen (Verkehrssicherheit)
Im Einzelfall kann es nötig sein, Schutzvorrichtungen anzubringen (z.B. gegen Hunde, Fahrräder, Autos). Dies wird sinnvollerweise von Seiten der Kommune veranlasst. Hier ist dann zu klären, welche gestalterischen und/oder verkehrstechnischen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Entweder die Kommune erstellt die Einfriedungen bzw. stellt sie für alle bereit oder sie gibt genaue Vorgaben (Höhe, Material, Farbe), wie diese auszuführen sind.
Achtung: Bei Baumneupflanzungen sollte eine Bepflanzung der Baumscheibe nicht während der Gewährleistungszeit vorgenommen werden, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden (in der Regel 2 Jahre).
Weitere Informationen zum Thema:
- „Bemessung und Unterhaltung von Baumscheiben bei Alleebäumen“, Grünes Blatt 4/1985
- „Bürger für öffentliches Grün begeistern – aber wie?“, Grünes Blatt 3/2010
- „Begrünung von Baumscheiben – aber richtig. - Kleiner Leitfaden für die ökologische Bepflanzung von Baumscheiben“ www.bund-leipzig.de
- Weitere „Baumscheiben-Flyer“ im Internet z.B.:
https://www.berlin.de/ba-neukoelln/suche.php?q=baumscheibe
http://www.umweltbuero-weissensee.de/umwelt-blatt18.php