Das Grüne Blatt 4.2016: Schotter- statt Grünanlage: Der falsche Weg!

Das Grüne Blatt 4.2016: Schotter- statt Grünanlage: Der falsche Weg!


Werner Ollig, Gartenakademie Rheinland-Pfalz, Neustadt
Birgit Heinz-Fischer, Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz, Mainz


Im privaten aber auch im öffentlichen Bereich ist eine Zunahme von geschotterten Flächen als „Grünflächenersatz“ feststellbar. Diese Flächen haben negative Auswirkungen auf das Kleinklima. In der Annahme eines geringen Pflegeaufwandes werden diese und weitere Nachteile jedoch leider meist übersehen. Schotter und Splitt im Beet sind nicht grundsätzlich schlecht. Entscheidend ist der Bepflanzungsgrad. Zu unterscheiden gilt es zwischen Staudenbeeten in Schotter- und Kiessubstraten und Beeten mit Schotter- und Kiesabdeckung ohne bzw. mit geringer Bepflanzung.

Schottermulchdecke: Durch das starke Abmagern des Mutterbodens oder sogar den Austausch dieser Schicht durch ein Schotter- oder Kiessubstrat wird für Staudenbeete ein extremer Standort geschaffen. Der nur für Pflanzenarten geeignet ist, die an trockene und magere Bodenverhältnisse angepasst sind. Darin werden 5-7 Pflanzen je m² eingebracht, die zwar nicht die ganze Fläche überwachsen, aber in diesem Beet doch dominierend wirken. Grober Schotter oder Kies als Mulchschicht schaffen ungünstige Voraussetzungen für das Keimen von Unkraut-Samen. Diese Beete wirken bezüglich des Kleinklimas ähnlich wie Pflanzungen direkt in den Mutterboden.

Schotterbeet: Im Gegensatz dazu ist ein Beet mit Schotter- bzw. Kiesabdeckung einfach aufgebaut: Unkrautvlies, Steinschüttung verschiedener Farbe, Form oder Dicke – fertig! Pflanzen können, müssen jedoch nicht sein. Dadurch verändert sich das Kleinklima Die Steine heizen sich auf. Aufgrund des geringen Pflanzenbestandes ist die Luftfeuchtigkeit verringert. Auch Sauerstoffproduktion und Feinstaubbindung sind dadurch minimal.

Abgesehen vom Material Schotter oder Kies haben beide Beetformen keine Gemeinsamkeiten!


Schotterbeet: wirklich pflegeleicht?

Prinzipiell sind Schotterbeete anspruchslos, was den Standort angeht. Eine zu hohe Sonneneinstrahlung führt leicht zu Verbrennungen an den Pflanzen oder starkem Spinnmilbenbefall. Im Schatten wachsen dagegen häufig Algen, Flechten und Moose auf den Steinen! Damit es nicht ungepflegt und „schmutzig“ aussieht, müssen die Steine ausgetauscht oder gereinigt werden.

Ein weiteres Problem: Falllaub von Bäumen. Wird es nicht entfernt, entsteht ein Saatbeet für Unkräuter. Flächen mit starkem Falllaubeintrag haben mitunter einen deutlich höheren Pflegeaufwand als normalbepflanzte Flächen! Denn effektives Unkrautjäten, d. h. das Entfernen der ganzen Pflanze inklusive Wurzel, ist zwischen grobem, scharfkantigem Schotter quasi unmöglich. Hier wären Dichtpflanzungen mit bewährten Staudenmischungen, wie sie für das öffentliche Grün entwickelt wurden, besser geeignet und pflegeleichter. Hierzu siehe „Grünes Blatt“ 3/2007. Bei einer Schottermulchdecke spielt die Humusbildung eine geringere Rolle, da zu diesem Zeitpunkt meist bereits eine geschlossene Pflanzendecke vorhanden ist.

Arbeitsaufwand im Vergleich

Pflegezeit
Pflanzen/m2

Min/Jahr pro m2

Bemerkung

Englische Staudenrabatten (ohne Gießen)
8
30-40
Jäten, z.T. anbinden/stützen, 1-2 maliger Rückschnitt
Staudendichtpflanzungen mit speziellen Staudenmischungen wie z.B. Silbersommer
8-10
5-10 (im ersten Jahr mehr, da noch keine geschlossene Pflanzendecke)
Ab dem 2. Standjahr kaum mehr jäten, nur noch 1-2 maliger Rückschnitt (evtl. Maschineneinsatz möglich)
Staudenbeete in Schotter- und Kiessubstraten
5-7
5
1-2 maliger Rückschnitt (evtl. Maschineneinsatz möglich). Kein Gießen!
Beet mit Schotter- und Kiesabdeckung
wenige oder keine (i.d.R. Solitär-gehölz)
Variiert je nach Ansprüchen (repräsentative Anlage!) und örtlichen Gegebenheiten sehr stark!
Frühjahr: abrechen/sammeln von Blüten/Samenflug, ggf. reinigen der Steine (Algen);
Sommer: Kontrolle auf Schädlinge u. Bekämpfung, gießen (falls Bepflanzung vorhanden);
Herbst: Laub entfernen (Laubsauger nicht immer einsetzbar!)


Beurteilung bezüglich:

Klima:

  • Aufheizung des Kleinklimas in Städten/Gemeinden in der Nacht durch Abgabe der tagsüber aufgenommenen Wärme (heißer Stein).
  • Negative Klima-/CO2-Bilanz durch Abbau und Bearbeitung der Steine sowie deren lange Transportwege.
  • Keine Produktion von lebenswichtigem Sauerstoff.
  • Keine Kühlung/Schatten im Sommer.
  • Geringere Luftfeuchte.
  • Keine Bindung von Feinstaub.


Natur und Umwelt:

  • Fehlender Bezug zur Landschaft, zur Region, zum Ort.
  • Kein Lebensraum für Nützlinge (Igel, Bienen, Wildbienen, Vögel und Amphibien).
  • Keine Biodiversität.
  • Flächendeckender Einsatz von Plastikfolien („Anti-Wurzelfolie“), deren spätere Entsorgung nicht mit einkalkuliert ist.
  • Darunter eingeschränktes und verarmtes Bodenleben, dadurch kein Beitrag zum Hochwasserschutz.


Pflegeaufwand:

  • Zunehmende Humusbildung zwischen den Steinen durch herangewehtes Laub.
  • Dadurch rascher Aufwuchs unerwünschter Wildkräuter durch Samenanlandung. Diese müssen dann aufwändig von Hand beseitigt werden.
  • Schnell einsetzende Verfärbung der Steine durch Ansiedlung von Algen, Flechten und Moosen.
  • Pflege solcher Flächen nur eingeschränkt machbar, dabei pflegeintensiver als andere Bepflanzungen.


Fazit:

Grünflächen in dicht besiedelten Gebieten können u.a. zum Wasserrückhalt bzw. der Grundwasserneubildung, zur Kühlung und zur Verbesserung der Luftqualität beitragen. Dies wird jedoch durch „Schotterbeete“ nicht erreicht! Kommunen sollten daher von dieser Art der Flächengestaltung Abstand nehmen und auf die Bürger einwirken, auch im privaten Grün nicht diesem Modetrend zu folgen. Es gibt ökologisch sinnvollere Möglichkeiten, Flächen anzulegen, die nur geringer Pflege bedürfen. Im Hinblick auf den Klimawandel ist mit Wetterextremen zu rechnen, also auch Hitzeperioden im Sommer. Begrünte Flächen wirken dem entgegen. Mit Steinen gestaltete Fläche, gleichgültig ob Gebäude oder „Schotterbeet verstärken die Wetterextreme: Keine Abkühlung in heißen Sommernächten!